Donnerstag 26.10.2017
1:00, die Uhr wird eine Stunde zurückgestellt.
Wir sind auf dem Weg Richtung Santos in Brasilien.
Der Kapitän ändert den Kurs ein wenig, damit wir näher an Lanzarote vorbei kommen um ein letztes Mal mit unseren Handys in den Genuss des Internet zu kommen :-)
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Freitag 27.10.2017
Heute waren Manöver angesagt, "Feuer unter Deck" und "Alle Mann von Bord". Das erste wurde durch den allgemeinen Alarm, 7x kurz und 1x lang in ohrenbetäubender Lautstärke angekündigt. Die Mannschaft sollte hierbei einen simulierten Brand in einem der vorderen Laderäume, dort lagern die Gefahrgüter, bekämpfen. Für die Passagiere bedeutet das sich mit Rettungsweste auf der Brücke melden und auf weitere Anweisungen zu warten. Der Alarm kommt also, ich schnappe mir die Weste, ziehe die Schuhe an und ab auf die Brücke. Dort angekommen meint der Kapitän nur: "Ah, der erste Passagier ist da, wo ist der zweite? Ah, auch da, ok, sie können wieder gehen..." Okeeeee, etwas aufregender hätte ich mir das schon vorgestellt. Ich habe mich dann noch auf die Suche nach dem Löschteam gemacht aber es war schon alles gelaufen. Kurz darauf kam dann der "Alle Mann von Bord" Alarm, 1x kurz gefolgt von 1x lang bis der Kahn weg ist... Diesmal also die Schwimmweste und den Immersionsuit, keine Ahnung wie der Deutsche Begriff ist, schnappen und direkt zum Rettungsboot auf der Steuerbordseite. Dort habe ich mich dann zusammen mit 11 Besatzungsmitgliedern ins Rettungsboot gesetzt. Das ist mal eine Erfahrung wert. Also 12 Mann da drin ist ok, aber die sind für geschätzte 30 Personen ausgelegt!!! Da hat jede Sardine mehr Platz in der Dose! Dann sind wir durchgegangen, wie das Ding zu Wasser gelassen wird. Und jetzt nicht lachen, es ist wichtig, dass der Stöpsel in der Wanne drin ist, sonst läuft die Dose voll, ich scherze nicht... So und jetzt kommt es, was ist wohl das erste was man macht, wenn man dann im Wasser ist? Kommt ihr bestimmt nicht drauf, also ich war überrascht... Na, irgend welche Vorschläge?
Jeder, wirklich jeder, muss eine Tablette gegen Seekrankheit nehmen da sonst innerhalb von 15 min alle das Kotzen anfangen. Stellt euch die Situation von, rauhe See, alle Luken dicht, gemütliche 12 Mann in der Dose, kein Fenster zum Rausschauen und es geht ab wie in der Achterbahn...Irgend einen erwischt es und wenn einer anfängt, dann sind alle fällig. Ich denke wir sind uns einig, dass das keiner will. Um es kurz zu machen, das ist wirklich der letzte Strohhalm und laut dem Kapitän ist eine Rettungsinsel noch schlimmer...Nach dem Abendessen hatte ich dann noch einen Termin beim Frisör :-D
Gegen 22:00 bin ich dann wie so oft auf die Brücke. Das ist echt interessant zu sehen wieviel nichts man da sieht... So und jetzt kommt es, bitte erinnert euch, wir fahren gerade auf direktem Weg von den Kanaren nach Brasilien und da kommt ein Schiff direkt auf uns zu, auf unserem Kurs. Kein Sch....! Und was macht der? Erstmal nichts und dann weicht er von sich aus gesehen nach Backbord aus... Da hat sich der Wachhabende dann genötigt gesehen das Schiff anzufunken und ihn daran zu erinnern, dass man immer nach Steuerbord ausweicht... Was soll ich sagen, einmal mit Profis arbeiten :-)
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Samstag 28.10.2017
1:00, die Uhr wird eine Stunde zurückgestellt.
Der Koch hat Geburtstag... Also gibt es ab 18:30 ne Party zu der alle eingeladen sind. Mir ist aufgefallen, dass auf der Kantinenliste der Brandy ausgestrichen ist, hmmm, mal sehen. Als ich so gegen 19:00 dort aufschlage sitzen alle noch recht still um die Tische im Aufenthaltsraum der Mannschaft herum. Als sie mich sehen winken sie mich freundlich zu sich. Auf den Tischen stehen Platten mit Essen und zwei Flaschen Brandy. Ausserdem ist noch ein 30l Fass Bier am Start, na das kann ja lustig werden. Bevor ich mich versehe steht auch schon ein Glas Bier vor mir. Im Fernseher laufen Musikvideos zur Einstimmung auf Karaoke. Was mache ich hier nur?
Nach einer Weile nimmt sich Felix, der Steward, das Mikrofon und schmettert die ersten Songs raus. Gar nicht mal so schlecht und mit viel Enthusiasmus. Die anderen zieren sich noch ein wenig und verneine energisch, als ich gefragt werde ob ich singen möchte.
So langsam kommt die Party in Schwung und immer mehr der Philipinos schnappen sich das Mikrofon und singen :-) Nach dem dritten Bier traue ich mich dann endlich und versuche es mit Billy Joels "River of Dreams". Was soll ich sagen? Das erschien wie eine tolle Idee und in meinem Kopf hörte sich das richtig klasse an... Naja, leider sah bzw. hörte sich die Realität drastisch anders an und am Ende bekam ich ganze 8 von 100 möglichen Punkten. Was soll ich sagen? Es hat schon einen Grund, dass ich in keiner Band singe. Aber der Abend ist ja noch jung.
Mein Glas ist fast leer als es sich der Koch schnappt um es wieder aufzufüllen. Ich bedanke mich und verneine höflich. Kurz darauf sitze ich wieder vor einem vollen Glas. Ok, so läuft das hier. Ich halte mich ans Bier und lasse die anderen den Brandy trinken. Und die hauen den weg wie Wasser, naja, fast.
Dann schmettere ich "Hold the Line" von Toto raus, schon viel besser und der Maschine 99 Punkte wert... Wait what? Ok, offensichtlich zählt nur, dass man dann Geräusche macht, wenn es die Maschine erwartet. Ob man dabei den Ton trifft oder wie in meinem Fall auch nicht, scheint weniger wichtig zu sein. Davon provitieren auch einige der Crew und ich bin zum Glück nicht der Schlechteste. Kaum zu glauben aber wahr.
Gegen Mitternacht, als ich gerade "Wild Boys" von Duran Duran voller Inbrunst von mir gebe sind auf einmal alle weg, außer Aaron. Der singt dann noch einen letzten Song und wir schliessen die Pary ab :-)
Dabei hab ich zwei Dinge gelernt:
1. Alkohol scheint die Philipinos zu friedlichen Karaokesängern zu machen und
2. Stelle dich nie zwischen einen Philipino und seine Karakoemaschine, bzw. seinen Song. Denn da scheint der Spaß aufzuhören :-D
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Sonntag 29.10.2017
1:00, die Uhr wird eine Stunde zurückgestellt, zum Glück :-)
Habe den Tag heute ruhig angehen lassen. Der Kopf ist noch ein wenig schwer. Das Singen hat mir wohl nicht bekommen...
So verpenne ich den halben Tag. Gegen 15:00 gehe ich dann in den Maschinenraum der Ruderanlage. Hier wird angeblich Sonntags immer Basketball gespielt. Aber außer Alexis, dem Elektriker und Pawel, dem 2. Ingenieur ist niemand da. Scheinbar verdaut der Rest der Crew noch den Vortag :-)
Nach einer halben Stunde bin ich völlig fertig und klatsch Nass. Dort unten hat es über 30 Grad und durch die Äquatornähe inzwischen auch eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Ausserdem braucht man dort unten Ohrstöpsel, da die Maschinen einen höllen Lärm machen.
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Montag 30.10.2017
Heute gab es die lange ersehnte Führung durch den Maschinenraum durch den Chefingenieur. Man kann sehen, daß er seinen Job liebt denn er hat während der ganzen Zeit ein Lächeln im Gesicht. Vielleicht aber auch nur, weil ich in Anbetracht der ganzen Technik auch ein fettes Grinsen im Gesicht habe :-)
In Europäischen Gewässern fahren diese Kähne ja mit Diesel um die Schadstoffgrenzen einzuhalten. Auf hoher See schalten sie dann auf Schweröl um. Ihr könnt euch nicht vorstellen was das bedeutet, oder vielleicht ja doch? Ich hatte nicht den geringsten Schimmer...
Das Schweröl halten sie auf 40-50 Grad, damit das Zeug überhaupt flüssig wird. Denn mit Schaufeln ist das so eine Sache (ihr kennt sicher die Bilder von Stränden nach Ölunglücken)... Das wird aus Sicherheitsgründen mit Dampf gemacht. Den gewinnen sie mittels eines Dampfgenerators in der Abgasanlage. Danach muss das Zeug dann erstmal aufwändig gereinigt werden. Wasser abgeschieden, mehrfach gefilter und und und. Übrig bleibt Schlacke die dann im Hafen entsorgt werden muss.
Danach wird der Kraftstoff auf 140-150 Grad erhitzt bevor er dann dem Zweitakter zugeführt wird. Das ist ein Anblick, ich habe keine genauen Daten aber geschätzt ist der Motor ca. 12m hoch, 8m breit und 10m lang. Daneben steht ein Ersatzkolben und ein Ersatzpleuel. Der Kolben ist ca. 3,5m hoch und das Pleuel, kann ich nicht sagen, verdammt groß.
Ich weiss überhaupt nicht worüber ich alles schreiben soll, ich könnte jetzt Seiten füllen...Und wenn ich jetzt Leute über ihre Autos reden höre: "Meiner hat 3,0l, 200kW und 420Nm!!!" Also das Ding hier, beim Hubraum kann ich nur schätzen, vielleicht bekomme ich die Zahlen ja noch, ca. 19.500l, 29.398kW (bei 80% oder 78 RPM, max. 40670kW bei 84 RPM) und 3624kNm (nein, ich habe mich nicht vertippt). Also wenn das mal keine Leistungsdaten sind und ich steh 2m daneben! Ok, über den Verbrauch sprechen wir dann lieber nicht, der liegt gerade bei 5,5 Tonnen pro Stunde! Das lässt sich nicht mit Schaufeln bewegen, zumindest nicht mit einer Crew von 26 Mann.
Die Tanks fassen ca. 1242t Diesel, 8007t Schweröl und 392t Motoröl, da freut sich der Tankwart :-DSo, und wie startet man so einen Zweitakter? Mit 30bar Pressluft, entsprechend gross sind die Druckluftspeicher.
Aber was mich am meisten überrascht hat, die Schraube ist direkt mit dem Motor verbunden! Nix Generator und dann elektrisch... Äh Hristov, wie läuft das mit dem Rückwärtsgang? Na, worauf tippt ihr? Ist eigentlich ganz einfach...
Verändern der Zündreihenfolge!!!
Da der Motor also keinen Generator antreibt muss der Strom woanders herkommen. Der kommt aus 5 Generatoren die jeweils 4320 kW bei 6600V ins Bordnetz einspeisen. Die werden dann auf 440V, z.B. für die Reefer, und 240V für die Wohnräume umgewandelt.
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Dienstag 31.10.2017
Nur auf der faulen Haut gelegen...
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Mittwoch 01.11.2017
1:00, die Uhr wird eine Stunde zurückgestellt, schon wieder...
Der Äquator, da ist er endlich. Leider sehe ich ihn nicht, weil es gegen 0:50h ist... Das Schiff macht auch keinen Salto und die Toilette verhält sich auch nicht merkwürdig... Könnte aber auch daran liegen, dass es ein Vakuumsystem ist ;-)
Es gibt auch keine Party oder Tamtam, also wieder ab ins Bett.
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Donnerstag 02.11.2017
Gegen Nachmittag noch ein paar Wale gesichtet. Sind vor etwa 3h auf die Kontinentalplatte von Südamerika getroffen (Meeresboden von ~4000m auf <50m quasi sprunghaft angestiegen) Die bringen hier in den flachen Gewässern ihre Jungen zur Welt. Allerdings ist das kein Whale Watching Ausflug und unser Schiff fährt unbeindruckt weiter. Auch mein Ausguck auf der Brücke (50m hoch oben) hilft nicht wirklich. Trotzdem schön :-)
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Freitag 03.11.2017
Nur auf der faulen Haut gelegen...
Gegen 22:00 in Santos in Brasilien fest gemacht.
Warum musste ich bei dem Frisur-Foto nur an die Szene in Police Academy denken...??
AntwortenLöschenFrage: Ist der Äquator denn nicht wenigstens beleuchtet? Touristisch ja noch vollkommenes Neuland... tststs
Ansonsten: Goos Trip weiterhin und die Kaffeerunde ist nicht mehr ganz dasselbe!!
:-P aber ganz unrecht hast du nicht... Wollte das schon zu Hause machen aber mein Rasierer hat mich im Stich gelassen...
AntwortenLöschenJa, das mit dem Äquator war ne herbe Enttäuschung.
Danke und Grüße an alle.